Verträge sind der Anfang – nicht das Ende.

„Ich bin kein Sales – ich bin Projektleiterin.“

Und als solche erlebe ich es immer wieder: Der Vertrag ist unterschrieben, aber viele operative Details sind noch völlig offen.

Was bedeutet das? Die Arbeit fängt da erst an.

Dieser Beitrag zeigt dir anhand zweier Beispiele aus dem Anlagenbau und der Software-Einführung, wie ich mit klarer Kommunikation, Verhandlungsgeschick und Prioritätenmanagement kritische Projektsituationen entschärfen konnte – und was du daraus mitnehmen kannst.

🏗️ Beispiel 1: Anlagenbau – Maschinenabnahme mit Stolpersteinen

In einem komplexen Sondermaschinenbauprojekt hatten wir deutliche Verzögerungen. Auf dem Papier waren wir zu spät – aber in der Realität lag die Ursache nicht nur intern.

Herausforderungen:

Der Kunde hatte konstruktive Detailanforderungen spät definiert.

Der Hallenausbau verzögerte sich – die Einbringung der Maschine war dadurch blockiert.

Die LOP (List of Open Points) war, wie so oft bei komplexen Maschinen, länger als erwartet.

Was ich getan habe:

Alle Verzögerungen von Beginn an und während dem gesamten Projektdurchlauf transparent dokumentiert – mit gegenseitiger Unterschrift.

Eine klassische Pönale abgewendet durch klare Argumentation und Nachweise in den Abschlussverhandlungen.

Die LOP in Teilpakete gegliedert, für jedes einen separaten Einbehalt verhandelt, so das im Ergebnis für uns ein verbesserter Cashflow realisiert werden konnte als bei den gängig angewandten Gesamteinbehalten.

Tipp:

📝 Alles, was nicht dokumentiert ist, existiert in Verhandlungen nicht.

Also: Kritische Punkte früh klären, Nachweise sichern, und Fristen gegenseitig bestätigen.

💻 Beispiel 2: Software – MES-Einführung nach dem Projekt-Desaster

MES-Systeme sind mächtig – aber nur, wenn sie auch genutzt werden. Fokus sollte hier auf GoLive sein.

Ich wurde in mehreren Projekten meiner Laufbahn immer erst gerufen, als das ‚Projekt‘ schon in den Brunnen gefallen war: weit über Budget und Zeit und meist mit einem völlig frustrierten Team.

Herausforderungen:

Das Customizing war aus dem Ruder gelaufen.

Das Team war teilweise demotiviert, einige blockierten aktiv den GoLive.

Die Anwendung war nach langer Projektlaufzeit noch immer nicht in der Praxis angewandt.

Was ich getan habe:

Das Team neu strukturiert und Rollen klar verteilt.

Die LOP radikal priorisiert – Fokus auf most important functions.

Nach ca. 6 Monaten: GoLive – und endlich echte Nutzung.

Denn nur durch Anwendung entsteht Erfahrung und dadurch lässt sich häufug ein teures Customizing erheblich reduzieren.

Tipp:

🎯 Nicht jedes Feature braucht es zum Start.

Der Fokus auf einen schlanken, funktionierenden Prozess spart nicht nur Zeit und Geld – er sichert auch Akzeptanz.

Denn: Nur durch Anwendung wird eine Software wertvoll.

✅ Checkliste: Was du VOR Projektstart prüfen solltest

1. Vertragsverständnis

Was ist wirklich definiert – was nur angedeutet?

Gibt es technische Lücken oder offene Anforderungen?

2. Fristen & Verantwortlichkeiten

Was schulden wir – und was der Softwareanbieter oder der Kunde?

Welche Fristen hängen von wem ab?

3. Scope & Customizing

Welche Funktionen sind notwendig – welche sind nice to have?

Gibt es ein MVP (Minimum Viable Process)?

4. Risiken & Meilensteine

Welche externen Abhängigkeiten bestehen (z. B. Baustellen, Infrastruktur, Anwendungspriorisierung)?

Welche LOP können vorab gegliedert und priorisiert werden?

5. Kommunikationsstrategie

Wer muss informiert werden, wenn sich Bedingungen ändern?

Wie wird dokumentiert? Wer unterschreibt?

💡 Für Projektleiter:innen ohne juristischen Background

Du brauchst kein Jura-Studium, aber:

Lese den Vertrag mit einem kritischen, operativen Blick: Was bedeutet das für die Praxis?

Dokumentiere jede Abweichung vom Standard – am besten beidseitig unterschrieben.

Sprich offen über Unklarheiten – frühzeitig, sachlich und lösungsorientiert.

Verträge sind nicht in Stein gemeißelt – aber sie sind dein Kompass. Du bestimmst, wie präzise er ist.

📣 Fazit & Einladung zur Diskussion

Verträge sind kein trockenes Thema – sie sind der Startpunkt für jedes erfolgreiche Projekt.

Als Projektleitung bist du Brückenbauer:in zwischen Anforderungen, Umsetzung und Realität.

🔍 Wie gehst du mit Lücken im Vertrag um?

Was sind deine Tipps für realistische Fristen und klare Erwartungen?

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